„KINARE UND DIE UMARUNG DER UNENDLICHKEIT“ – ein Kompass in der Krise
Birgit Singh-Heinike, Kinare und die Umarmung der Unendlichkeit, edition federleicht, Frankfurt am Main 2020, 288 Seiten, ISBN 978-3-946112-54-9, 14,50 €
Eine Krise, sei es, eine individuelle, eine gesellschaftliche oder gar eine Krise, die sich global und vernetzt erstreckt, ist gekennzeichnet durch große Verunsicherung, das Gefühl von Ohnmacht und im tiefsten Urgrund des Seins auch von Angst.
Das Leben, in dem wir uns eingerichtet haben, ist abrupt unterbrochen und wir sind mit einer anderen Wirklichkeit konfrontiert. Nach dem ersten Schock drängen sich Fragen auf.
Wo ist der Kompass, mit dem ich durch stürmische Zeiten navigieren kann?
Wie kann ich Vertrauen in dieser Situation aufbauen?
Was ortet und zentriert mich?
Der bisherige Lebensentwurf ist auf dem Prüfstein.
Wir sind aufgefordert unseren Blick nicht mehr auf flüchtige Erfolge zu konzentrieren, sondern mit Achtsamkeit auf beständige Verbindungen zu vertrauen, auch auf die, die nicht sichtbar sind.
Von einer Individualkrise handelt der Roman „Kinare und die Umarmung der Unendlichkeit“.
Kinare bedeutet die Stufe zum Ganga und weist metaphorisch auf die Weisheit hin, die den Roman wie ein rotes Band durchzieht:
In der Krise kommt es darauf an, am Fluss des Lebens zu sitzen und zu lernen, dass der Einklang zwischen besonnenem Handeln und meditativer Ruhe durch jeden Sturm führen kann. Der zweite Teil des Titels Umarmung der Unendlichkeit unterstützt diese Weisheit, gibt wieder, worum es im Verlauf des Romans geht und weist darauf hin, wie diese Weisheit in das alltägliche Leben einziehen kann.
Die Handlung
In der Mitte des Lebens, dort, wo die Bahnen gelegt sind, lernen sich Jori und Gita kennen. Sie wachsen zusammen, werden ein Paar und leben achtsam, jeder für sich und gemeinsam. Dann stirbt Jori und hinterlässt einer von Trauer tief gezeichneten Gita sein Manuskript, eine Version der Bhagavadgita. Gita stellt sich dem Schmerz des Verlustes und findet Halt, indem sie beginnt, Briefe an ihren verstorbenen Partner zu schreiben und ihre Gedanken mit seiner Hinterlassenschaft zu verbinden.
Durchzogen ist der Roman, der schwerpunktmäßig auf Briefen der Protagonistin Gita an ihren verstorbenen Mann Jori beruht, inspiriert durch dessen Interpretation der Bhagavadgita, dem zirka 3000 Jahre alten Epos, das er als ein Krisenmanagementbuch betrachtet hat.
Leserstimme zu „Kinare und die Umarmung der Unendlichkeit“
Für die krisenhaften Tage und Nächte des Lebens gibt der Roman von Birgit Singh-Heinike Orientierung auf dem Weg zu sich, Zuversicht und Lebensmut durch Sinnbezüge – eine wohltuende Prise Sternenstaub.
Die Lektüre verschafft durch die handelnde Person Gita eine Begleitung, die menschlich fühlt, ehrliche Auseinandersetzungen mit sich und dem Universum führt – und damit ermutigt, dem Schmerz nicht auszuweichen, sondern mit ihm zu schwingen, einzutauchen, um neu auftauchen zu können. Inspirierend!
Gita zeigt, dass die Stunden der dunklen Nächte auszuhalten sind, im Dialog mit sich und dem Überbewussten, und dabei Frieden entsteht.
Die Deutung der Baghavadgita gibt Worte und Bilder für die unmittelbaren, grundlegenden Fragen des Menschseins und führt zu tiefem, richtungsweisendem Verstehen in unübersichtlichen, gefahrvoll anmutenden Gefilden.
Es hat etwas von einem Zyklus: Ich war animiert, gleich wieder zum Anfang des Buches zurückzukehren und habe dann dabei genau das entdeckt, was jetzt – genau zu diesem Zeitpunkt – die passenden Schlüssel-Erkenntnisse eröffnet hat.
Daniela Dölle